pressemitteilung
faszination des geldes -"begegnungen 99" am kunsthof in wagenhofen.
wer ist ihr nicht schon erlegen, der faszination dieser kleinen bunten "scheinchen" mit den magischen zahlen darauf, die wir geld nennen? außer den gedruckten zahlen (wie 20, 50, 100, 200 usw.) interessiert uns meist nur noch, was man alles dafür bekommt, wenn man die scheine eintauscht. konkret, der monetäre wert des geldscheines ist uns wichtiger als der ästhetische. doch was passiert, wenn der wert der scheine nicht mehr durch die zahlen, sondern durch die ästhetik der bilder, die darauf zu sehen sind, bestimmt wird? ... ja, aber hat nicht jeder mensch einen eigenen geschmack, wie sollen dann geldscheine im tauschhandel noch als wertäquivalent funktionieren?, wird sich mancher fragen. banal ausgedrückt, woher soll ich wissen, daß die schönheit des bildes auf dem schein ausreicht, um nach einem opulenten mahl meine zeche zu bezahlen?
solche oder ähnliche gedanken mögen einen vielleicht bewegen, wenn man sich mit rainer röschkes neuen arbeiten beschäftigt. geldscheine, im original, die von ihm bemalt wurden, nicht selten mit erotischen motiven. verliert der schein da nicht an wert, wenn er bemalt wird, ängstigt sich mancher. womöglich steigert sich der wert, wurde doch aus einem profanen geldschein ein "original-röschke"? neu und ungewöhnlich sind sicher nicht die erotischen motive, sondern der ort auf dem sie zu finden sind - auf einem geldschein, der als zahlungsmittel in kraft bleibt, allerdings zu schade zum ausgeben.
"begegnungen 99" unter diesem titel findet am wochenende vom 17. - 18. september 1999 auf dem kunsthof in wagenhofen eine veranstaltung mit ausstellung und workshops statt. umrahmt von musikalischen darbietungen und kulinarischen angeboten haben besucher die gelegenheit sich mit kunst, architektur und personalführung zu beschäftigen. die begegnung der verschiedenen disziplinen und der tradition mit der innovation, soll die veranstaltung zu etwas besonderem machen. sie will forum sein für menschen, die sich begegnen und austauschen über traditionelles und innovatives, sei es beim bauen oder in der führung von unternehmen und mitarbeitern und natürlich über kunst und geld.
neben den neuen arbeiten von rainer röschke, die im übrigen demnächst in einer virtuellen galerie der raiffeisenbank neuburg auch im internet zu finden sind, können workshops des architekten albert ringelstetter über zeitgemäßes bauen und des unternehmensberaters und kommunikationstrainers gerhard stiglmair über mitarbeiterorientierte unternehmensführung besucht werden. viel raum soll natürlich auch für gespräche und austausch bleiben. geöffnet ist jeweils zwischen 13.00 - 21.00 uhr am 17. und 18. sept., für kinderbetreuung wird gesorgt und auch das leibliche wohl kommt nicht zu kurz. der kunsthof befindet sich an der straße von neuburg nach augsburg kurz nach dem ortseingang von wagenhofen auf der rechten seite (beschilderung beachten).
Wo liegt Wagenhofen? Der kleine Ort gehört zu Rohrenfels ebenfalls ein kleiner Ort, in der Nähe von Neuburg an der Donau gelegen Die Umgebung ist unauffällig, die meisten Bewohner sind katholisch, wählen CSU und die freiwillige Feuerwehr ist ein wichtiger Faktor des Gemeindelebens. Und es gibt Rainer Röschke. Gartenzwerge weisen den Weg zu seinem Kunsthof. Die netten Figürchen, gut gehegte Zierde vieler Kleinbürgergärten. sind hier selbstverständlich nicht naturbelassen. Sie bekommen lässig eine Zigarre oder eine Blume in den Mund geklemmt. Sie geben einen Vorgeschmack auf den Kunsthof. Der ehemalige Bauernhof mutet an wie eine Villa Kunterbunt für Erwachsene. Der Besucher sieht und staunt ob der Fülle an „Augenfutter". Im Innen- wie Außenbereich stehen und hängen Bilder, Objekte, Skulpturen und Installationen, scheinbar spielerisch und zufällig verteilt, gruppiert, immer wieder neu zusammengestellt. Hinter der scheinbar wahllosen Anordnung steckt jedoch eine wohldurchdachte Choreografie. Die Gesamtwirkung: harmonisch, aber nie langweilig. Jedes Kunstwerk steht zwar für sich, erlangt aber im Gesamtkontext eine spezielle Bedeutung. Dieser Arbeitsphilosophie hat Rainer Röschke den Begriff Additionismus gegeben. Bereits ein oberflächlicher Blick in den Kunsthof zeugt vom enormen Fleiß des Künstlers. Ein Besessener, der seine Kunst lebt und liebt, der mit bemerkenswerter Virtuosität alle Materialien und Techniken beherrscht. Das Handwerkszeug dazu erhielt der im österreichischen Steyr geborene und in Neuburg aufgewachsene Röschke in München. An der Akademie der Bildenden Künste studierte er zunächst Malerei, später Bildhauerei. Bald folgten erste Ausstellungen im Münchner Haus der Kunst; eine Reihe von Präsentationen, meist im süddeutschen Raum, schlossen sich an:
Seine Kinderporträts und die Stilleben der „frühen Jahre" belegen ebenso wie die Collagen sein großes zeichnerisches und malerisches können. Kaum ein Genre der bildenden Kunst, mit dem er sich nicht gefasst hätte. Die Frauenbilder von märchenhaft melancholischer Schönheit, archaisch erscheinende Holzfiguren oder die filigranen Bronzeplastiken lassen kaum einen Betrachter gleichgültig. Immer wieder rauchen in den Bildern die typischen Röschke-Zeichen auf: Monde, Kreuze, Männchen. Bilder vom Sperrmüll, die Heiligenmotive oder kitischige Gebirgslandschaften zeigen, sind mit Neonfarben verfremdet und die Röschke-Strichmännchen flitzen respektlos über die Leinwand. Das Jesukind auf dem Arm der Muttergottes bekommt einen Penis angemalt, was dem betulichen Bild eine völlig neue Bedeutung verleiht. Röschke setzt sich mit Tabus auseinander, provoziert, irritiert, verstört, amüsiert - aber niemals mit dem erhobenen Zeigefinger des Oberlehrers, dem Betrachter stets Platz für die eigene Phantasie einräumend. Die Materialien, mit denen Rainer Röschke jenseits der klassischen Schiene arbeitet, könnten unterschiedlicher nicht sein: Flohmarktfunde, Barbiepuppen, altes Kinderspielzeug, Marmeladegläser, Sägeblätter, Dachplatten, Äste von Mooreichen, Blech und und' und. So wird der Kopf einer kaputten Heiligenfigur auf eine Eisenskulptur montiert und fertig ist ein Objekt, das seine bizarre Schönheit verblüfft. Getreu der Röschkeschen Philosophie sind die Grenzen zwischen Kunst, Design und Architektur bedeutungslos. Was bleibt, so der Neuburger, ist ein Gesamtkunstwerk. In diesem Sinne gestaltet er „Kunst am Bau". Dazu gehören Auftragsarbeiten, wie der Brunnen mitKinderfiguren, den er für eine Klinik entworfen hat. Noch mehr „austoben" kann er sich bei der Ausgestaltung von Privathäusern. Etlichen Bauten hat er einen ganz eigenen Charakter verliehen. Fliesenmuster im Stil konkreter Kunst heben Bäder weit über den Status einerNasszelle empor, witzige Kamine, verschachtelte Bücher regale, bunte Steckdosen und Teppiche, die sich an den Wänden empor schmiegen, verwandeln Wohnzimmer in Erlebniswelten. Selbst der Heizungsraum erhält eine farbenfrohe Gestaltung - denn dort, so der Künstler, schlägt schließlich das Herz eines Hauses. Der Wagenhofener Kunsthof, lange Zeit das Domizil der Röschkes, ist einem 2002 gegründeten Verein überlassen, dem Kunsthofverein Wagenhofen. Dem Verein geht es darum, vor allem Jugendliche an die Kunst heranzuführen, Ausstellungen zu veranstalten und bedürftige Künstler zu unterstützen. Ein Kinderflohmarkt und Seminare im Bereich der Jugendarbeit sind bestens angenommen worden. Rainer Röschke, der jetzt in der Nachbarschaft der"Villa Kunterbunt" wohnt, freut sich. Ein Gesamtkunstwerk in der Provinz - kein Widerspruch.